WELT-Interview mit CGH-Geschäftsführerin Sacha Rougier „Wir wollen einen nachhaltigen Kreuzfahrttourismus“

02.01.2019

Sacha Rougier, Chefin von Cruise Gate Hamburg, im Interview mit der WELT über das Kreuzfahrtgeschäft in Hamburg und Pläne für die kommenden Jahre: "Wir wollen einen nachhaltigen Kreuzfahrttourismus"

Hamburg profitiert mächtig vom Boom der Kreuzfahrten. Doch dieser Tourismus stellt den Hafen auch vor immer neue Herausforderungen, etwa beim Umweltschutz. Auch die Kapazitäten an den Terminals könnten in absehbarer Zeit ausgereizt sein.

Rund 30 Millionen Passagiere weltweit gehen im Jahr 2019 auf Kreuzfahrt, etwa sechs Prozent mehr als in diesem Jahr, erwartet CLIA, der internationale Verband der Kreuzfahrtbranche. Voraussichtlich 272 Kreuzfahrtschiffe werden im kommenden Jahr für die Mitgliedsreedereien von CLIA fahren. Vom Boom dieser Reiseform hat Hamburg erheblich profitiert. Der Hafen der Hansestadt stieg in den vergangenen 15 Jahren zu einem der führenden Ziele in Europa auf.

Doch zugleich steigt auch der Druck für einen besseren Umweltschutz, vor allem mit Blick auf die Abgase der Schiffe. WELT-Reporter Olaf Preuß sprach mit Sacha Rougier, der Geschäftsführerin von Cruise Gate Hamburg, über die Perspektiven der Kreuzfahrt in der Stadt. Cruise Gate Hamburg betreibt die drei Hamburger Kreuzfahrtterminals und ist ein Tochterunternehmen der Hafenverwaltung HPA.

WELT: Frau Rougier, rund 900.000 Passagiere bei 212 Anläufen von Kreuzfahrtschiffen – sind Sie zufrieden mit der Saison 2018?

Sacha Rougier: Ich glaube schon, dass wir mit diesem Jahr zufrieden sein können. Wir hatten viele Highlights wie den Hafengeburtstag, Taufen, Erstanläufe und viele Events auf den Schiffen. Die Terminals funktionieren, und die Reeder sind zufrieden. Wir definieren Erfolg nicht nur in den absoluten Zahlen sondern auch in der Qualität des Kreuzfahrttourismus hier. In einer Umfrage bei Kreuzfahrtreedereien haben wir Bestnoten im operativen Bereich bekommen, also auch mit Blick auf unsere Dienstleister, die Port Agents, Ground Handler, Festmacher, hafenärztliche Dienste, die Seemannsmission und vieles mehr. Mit vielen Themen rund um die Kreuzfahrt bringen wir den Standort Hamburg nach vorn. Die Kreuzfahrt ist zu einer wichtigen Schnittstelle zwischen der Stadt und dem Hafen geworden.

WELT: Welche Zahlen erwarten Sie für 2019?

Rougier: Ich bin bei den Zahlen zurückhaltender geworden. Wir nennen Zahlen, die schon kurz darauf nicht mehr stimmen. Oft lag das Wachstum über unseren Erwartungen, es gibt aber kurzfristig auch mal eine Bewegung nach unten, wie etwa bei der verspäteten Ablieferung der neuen „AIDAnova“, die ja ursprünglich von Hamburg aus in ihren Dienst gehen sollte, was dann leider nicht klappte. Sobald wir für 2019 eine belastbare Zahl haben, werden wir sie mitteilen.

WELT: Könnte Hamburg schon 2019 eine Million Passagiere erreichen? 

Rougier: Nein, das hatten wir nie geplant und das wird eher am Beginn des kommenden Jahrzehnts geschehen. Bis 2020/2021 erwarten die Kreuzfahrtreedereien in unserer Region eine Stabilisierung, was ich in Hamburg für gut halte, weil wir hier zwischen 2015 und 2018 bei den Passagierzahlen ein Wachstum von 73 Prozent hatten. Das liegt deutlich über der Entwicklung des europäischen Marktes. Unser Interesse ist es, in Hamburg einen nachhaltigen Kreuzfahrttourismus zu schaffen, in ökonomischer, ökologischer und organisatorischer Hinsicht.

WELT: Wie verändert sich der europäische Markt in den kommenden Jahren?

Rougier: Bis 2027 sollen 113 große Kreuzfahrtschiffe zusätzlich an den Markt kommen, außerdem 30 kleinere Schiffe für die Expeditionskreuzfahrt bis zum Jahr 2024. Der Markt wird dadurch noch vielfältiger. Für Hamburg ist auch der Markt für Expeditionskreuzfahrten relevant, etwa für die Routen bis zum Nordkap oder in Westeuropa. Diese kleineren Schiffe kommen heute zum Hafencity-Terminal, das wäre auch künftig der ideale Terminal für diese Schiffsgrößen. Gerade mit diesen hochmodernen Schiffen setzen die Reedereien bei den Antriebstechniken und dem gesamten Energieverbrauch an Bord auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz.

WELT: Aida Cruises wollte mit der „AIDAprima“ ganzjährig Touren von Hamburg aus in die Nordsee anbieten. Das hat nicht funktioniert. Warum nicht?

Rougier: Wir haben es hier in Hamburg getestet, und Aida Cruises hat nach einiger Zeit entschieden, das Schiff auf anderen Routen einzusetzen. Interessant ist für uns: Wir haben unsere Kreuzfahrtsaison ständig erweitert. Die Hauptsaison liegt zwar zwischen April und September, aber wir hatten noch nie einen so starken Oktober wie in diesem Jahr. Britische Kreuzfahrtschiffe kommen mit ihren Passagieren zu unseren Weihnachtsmärkten nach Hamburg. Und die neue Saison beginnt schon am 8. Januar mit dem Anlauf der „Queen Victoria“.

WELT: Braucht Hamburg einen weiteren, vierten Kreuzfahrtterminal? 

Rougier: Aktuell sind unsere drei Terminals nicht hundertprozentig ausgelastet, deshalb stellt sich die Frage derzeit nicht. Wenn man aber in das aktuelle Orderbuch der Kreuzfahrtreedereien schaut, könnte man daraus schließen, dass wir dieses Wachstum in den kommenden Jahren allein mit drei Terminals nicht werden bewältigen können. Entscheiden muss das aber die Stadt Hamburg. Wir analysieren im Moment, ob wir einen vierten Terminal brauchen und wo wir ihn bauen könnten.

WELT: Ist Hamburg der Kreuzfahrt stärker zugewandt als andere Häfen?

Rougier: Ich habe das so nirgends sonst erlebt. Bei einer Konferenz in Madrid zeigte ich kürzlich Bilder und ein Video von Kreuzfahrt-Events in Hamburg. Das Publikum dort war sehr begeistert davon.

WELT: Ist die Infrastruktur leistungsfähig genug für das starke Wachstum des Kreuzfahrttourismus in Hamburg?

Rougier: Wir sind mit unseren drei Terminals derzeit sehr gut aufgestellt. Auf Steinwerder haben wir in diesem Jahr an einzelnen Tagen 10.000 Passagiere abgefertigt. Dieser Terminal etwas außerhalb des Zentrums ist ideal für größere Schiffe. Die Terminals in der Hafencity und in Altona sind sehr gut geeignet für kleinere und mittelgroße Schiffe.

WELT: Die vielen Kreuzfahrtschiffe belasten die Luft mit Dieselabgasen. In Hamburg ist die Luftqualität insgesamt umstritten. Wie bekommt man mehr Schiffe an die Landstromanlage in Altona? Sie wird bislang kaum genutzt.

Rougier: Hamburg war mit dieser Anlage in Europa im Jahr 2016 der Vorreiter, andere Kreuzfahrthäfen wie Bergen, Kiel oder Rostock ziehen mittlerweile nach, fast alle anderen Häfen in Nordeuropa haben sich das hier bei uns angeschaut. Das stimuliert natürlich auch die Reedereien, ihre Schiffe vielleicht umzurüsten. Zwischen den Reedereien und den Häfen entsteht ein Wechselspiel, das einfach auch Zeit benötigt. Deshalb ist es zu kurz gedacht, nur auf einzelne Anlagen wie die in Altona zu schauen. Wir wollen den neuen Terminal in der Hafencity ebenfalls mit einer Landstromanlage ausstatten. Auch für Steinwerder denken wir darüber nach. Denn auch größere Kreuzfahrtschiffe werden nun mit Landstromanschlüssen ausgerüstet. 

WELT: Was ist das wichtigste Ziel für Hamburg Cruise Gate für 2019?

Rougier: Wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir mit der Planung des neuen Hafencity-Terminals vorankommen, daran arbeiten wir mit unseren Partnern intensiv. Es soll ein effizienter, schöner Terminal mit hoher Qualität für die Passagiere werden. Wir sehen dort, wie schon gesagt, vor allem die Premiumklasse und die Expeditionsschiffe. 2022/2023 soll der neue Terminal in Betrieb gehen, das ist ein Jahr später als ursprünglich geplant. Einer der beiden früheren Terminalteile ist mittlerweile nicht mehr am Markt, sodass wir dort derzeit nicht mehr zwei Schiffe abfertigen können wie früher, sondern nur noch ein Schiff. Derzeit fertigen wir dort die ganz kleinen Schiffe und die Transitschiffe ab. Wir diskutieren mit der Hafencity und mit der Hafenverwaltung HPA darüber, wie wir die Schiffe in der Übergangszeit abfertigen können, wenn der Terminal vorübergehend ganz geschlossen wird. Das wird wohl 2022 sein.

(Quelle: https://www.welt.de/regionales/hamburg/article185930362/Kreuzfahrten.html​, veröffentlicht am 21.12.2018 von Olaf Preuß, Wirtschaftsreporter)