WELT AM SONNTAG-Interview mit CGH-Geschäftsführerin Sacha Rougier: \"Hamburg ist im positiven Sinne kreuzfahrtverrückt.\"

04.09.2017

„Hamburg ist im positiven Sinne kreuzfahrtverrückt“ - Von Norbert Vojta, WELT AM SONNTAG v. 27. August 2017

Hamburg hat drei Kreuzfahrtterminals. Das größte ist das Hamburg Cruise Center Steinwerder am Kronprinzkai. Wer durch den Alten Elbtunnel fährt, ist in ein paar Hundert Metern über den Reiherdamm angekommen: Das Auto rollt über einen gigantischen Parkplatz auf zwei futuristische Hallen zu, die an den Flughafen erinnern. Überall gibt es lange Schlangen an den Abfertigungsschaltern, aber alles geht sehr flott. Das Sicherheitspersonal prüft Gepäck und Personalausweis genauestens. Auf „Mein Schiff 1“, Pooldeck 12, treffen wir auf die Geschäftsführerin der Cruise Gate Hamburg GmbH, Sacha Rougier. Eine elegante Dame mit einem herzlichen Lachen.

WELT AM SONNTAG: Frau Rougier, warum ist Hamburg so ein Kreuzfahrtmagnet?

Sacha Rougier: Die Entwicklung der Kreuzschifffahrt in Hamburg ist beeindruckend, da gibt es viele Gründe. Hamburg ist eine der erlebnisreichsten Kreuzfahrt-Städte überhaupt. Der Hafen liegt direkt in der Stadt. Nirgendwo auf der Welt sind Kreuzfahrtschiffe solche Attraktionen wie bei uns.

WELT AM SONNTAG: Wodurch?

Rougier: Durch Events wie die Cruise-Days, die vom 8. September an drei Tagen laufen, Blue Port, den Hafengeburtstag und auch Schiffstaufen ziehen wir viele Millionen Menschen nach Hamburg, die sich die Traumschiffe anschauen.

WELT AM SONNTAG: Gibt es noch andere Gründe?

Rougier: Ja, die Erreichbarkeit. Man kommt ganz leicht nach Hamburg – mit dem Flugzeug, der Bahn, dem Auto oder dem Bus. Wir erfüllen alle Bedingungen für einen exzellenten Homeport.

WELT AM SONNTAG: Was ist ein Homeport?

Rougier: Hier findet der Gästewechsel statt. Das heißt, die Kreuzfahrten beginnen in Hamburg und enden auch wieder hier.

WELT AM SONNTAG: Wir sind hier auf „Mein Schiff 1“ mit ungefähr 2000 Passagieren. Ist das für den Terminal hier am Kronprinzkai normal?

Rougier: Das ist für diesen Terminal ein kleines Schiff. Wir können hier bis zu 5000 Passagiere mit einem Schiff abfertigen. Momentan haben wir Schiffe mit bis zu 4500 Einsteigern und auch 4500 Aussteigern, also zusammen 9000 Menschen, die ihre Reise auf dem Schiff beenden oder beginnen. Das ist der normale Passagierfluss. Darum ist die Funktionalität eines Terminals auch so wichtig. Dazu gibt es internationale Kennzahlen.

WELT AM SONNTAG: Was sind diese Kennzahlen?

Rougier: Mit diesen Kennzahlen messen wir zum Beispiel, wie lange der Kreuzfahrtgast braucht, um an Bord zu kommen, wie lange die Security-Kontrolle dauert und wie schnell er seinen Koffer nach der Ausschiffung bekommt. Es geht hier um eine positive Erfahrung für die Urlauber, bevor man an Bord geht und wenn man wieder in Hamburg ankommt.

WELT AM SONNTAG: Was ist das Besondere an den Terminals?

Rougier: Die Flexibilität und Vielfältigkeit der drei Terminals ist außergewöhnlich. Wir haben für jedes Kreuzfahrtschiff das passende Terminal. Die ganz großen Schiffe, wo eine große Logistik dahintersteckt, mit vielen Lkw, Bussen und Taxen, sind nicht im Stadtzentrum konzentriert.

WELT AM SONNTAG: Wie kann man den Check-in-Ablauf noch beschleunigen?

Rougier: Indem man versucht, die Passagierflüsse noch besser zu organisieren. Oder vielleicht einen Check-in wie am Flughafen über sein Handy macht und die Bordkarte herunterlädt. Daran arbeiten bereits die Reeder.

WELT AM SONNTAG: Spielt die Security auf Kreuzfahrtschiffen eine große Rolle?

Rougier: Das ist eines der wichtigsten Themen. Seit 2001 setzen wir den internationalen Gefahrenabwehrplan, den ISPS Code auf unsere Terminals um. Wir leben in einer Welt, die sich sehr verändert hat. Wir wissen nicht, was morgen passiert. Dadurch sind die Sicherheitsmaßnahmen enorm gestiegen. Alles wird kontrolliert, Passagiere und Gepäck. Da sollte nichts mehr an Bord gehen, was nicht vorher durchgecheckt ist.

WELT AM SONNTAG: Wird denn das Kontrollieren kontrolliert?

Rougier: Ja, natürlich. Wir werden regelmäßig durch die Wasserschutzpolizei getestet. Wir machen selbst Übungen und Trainings. Es geht ja nicht nur um das Evakuieren. Heute geht es um Crowd-Management, das Lenken und Leiten von Menschenmengen. Wir bilden uns permanent weiter.

WELT AM SONNTAG: Sie werden in diesem Jahr laut Schätzungen mehr als 800.000 Passagiere durch die drei Terminals schleusen. Ist das im Vergleich zu anderen Standorten viel?

Rougier: Wir sind jetzt in den Top 20 der Homeports in der Welt – und das ist wirklich schon gut. Im vergangenen Jahr konnten wir uns in den Passagierzahlen um 39 Prozent steigern, damit sind wir auf Platz eins der Top 20. Auch in den nächsten zwei Jahren erwarten wir zweistellige Steigerungen.

WELT AM SONNTAG: 197 Kreuzfahrtschiffe werden in diesem Jahr Hamburg anlaufen. Gibt es hier deshalb Beschwerden?

Rougier: Hamburg ist im positiven Sinne kreuzfahrtverrückt. Zudem hat Hamburg ja die Vorreiterrolle übernommen, indem an allen Terminals eine alternative Energieversorgung angeboten wird. Hamburg übernimmt auch in einem europäischen Nachhaltigkeitsprojekt eine Führungsrolle.

WELT AM SONNTAG: Was für ein Projekt ist das?

Rougier: Das heißt „Green Cruise Ports“ und setzt den Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und deutliche Reduzierung von Emissionen. Dazu arbeiten wir mit Häfen in der Ostsee zusammen. Zudem werden wir mit der Atlantic Europe – die Vereinigung der Kreuzfahrthäfen in Westeuropa – dieses Thema ebenfalls aktiv bearbeiten.

WELT AM SONNTAG: Wie wichtig sind Ihnen die Reeder?

Rougier: Sehr wichtig. Ohne meine Reeder habe ich hier keine Schiffe. Sie sind meine Partner und Kunden. Ich muss den Reeder natürlich überzeugen, dass Hamburg das bietet, was er seinen Gästen anbieten möchte.

WELT AM SONNTAG: Wie überzeugen Sie den Reeder?

Rougier: Mit der Attraktion von Hamburg, mit der Vielfalt und Flexibilität der Terminals. Auch ist der deutsche Markt als drittgrößter Passagiermarkt weltweit sehr attraktiv für die Kreuzfahrtbranche. Wir haben über zwei Millionen Passagiere, die pro Jahr an Bord gehen. Dazu kommt der erstklassige Service der Hamburger Hafen- und Dienstleistungsbranche.

WELT AM SONNTAG: Gibt es noch eine Attraktivität?

Rougier: Ja, die Elbphilharmonie hat uns international einen großen Sprung nach vorne gebracht. In Hamburg arbeitet die Stadt, die Wirtschaft, die Politik Hand in Hand, um die Kreuzfahrt voranzutreiben. Diese Weiterentwicklung wird auch durch das lokale Kreuzfahrtnetzwerk, Hamburg Cruise Net, intensiv getragen.

WELT AM SONNTAG: Was macht ein Fünf-Sterne-Plus-Schiff aus?

Rougier: Da haben Sie in der Tat eine besondere Ausstattung und Service. Kulinarik auf höchstem Niveau und Top-Service mit Butler- und Concierge-Service. Auch die Koffer werden schon zu Hause abgeholt. Einfach mehr Platz und individuelle Routen.

WELT AM SONNTAG: Das wäre aber doch auch für mich Nicht-Fünf-Sterne-Plus-Passagier toll, wenn meine Koffer zu Hause abgeholt werden.

Rougier: Das bieten in Hamburg Firmen an. Tefra ist zum Beispiel bei Kreuzfahrten der große Spezialist.

WELT AM SONNTAG: Welches Kreuzfahrtschiff mögen Sie als Passagierin am liebsten?

Rougier: Ich habe alle gerne, ich muss doch jetzt neutral bleiben. (lacht)

WELT AM SONNTAG: Gibt es bei Kreuzfahrtschiffen die Unterteilung von erster, zweiter oder dritter Klasse?

Rougier: Die Produkte werden immer individueller. Hamburg wird bei rund 200 Anläufen von 44 unterschiedlichen Schiffstypen angelaufen. Man hat somit 44 verschiedene Produkte und auch verschiedene Routings, die man ab Hamburg auswählen kann.

WELT AM SONNTAG: Was machen Sie, wenn der Kreuzfahrtboom zu Ende geht?

Rougier: Der geht nicht zu Ende. Der ist im Gegenteil steigend. Wir sehen das an unseren Zahlen und den Anmeldungen. Wir schließen jetzt 2019 ab. Für 2020 haben sich schon ganz große Kreuzfahrtschiffe für Hamburg angemeldet, und wir sind mit unseren Terminals an den Wochenenden bis 2020 fast ausgebucht. Sie müssen wissen, dass die Reeder immer zwei Jahre im Voraus buchen. Somit haben sie Zeit, die neuen Routen und Reisen zu verkaufen.

WELT AM SONNTAG: Wissen Sie, ob Neubauten geplant sind?

Rougier: Ja. Über 90 bis zum Jahr 2026. Davon 20 Expeditions- und Luxusschiffe. Über 37 Prozent sind große Schiffe mit 12.000 Passagieren im Gästewechsel.

WELT AM SONNTAG: Dann benötigt Hamburg doch auch mehr Kreuzfahrtterminals.

Rougier: Momentan steht bei mir kein Kreuzfahrtschiff in der Schleife. Wir arbeiten da sehr eng mit den Reedern zusammen und sind in einem prima Dialog.

WELT AM SONNTAG: Müssen Sie als Frau in der maritimen Männerwelt kämpfen?

Rougier: In Führungspositionen muss man immer kämpfen. Der Hafen ist eine harte Welt, aber in der bin ich ja nun schon seit 20 Jahren. Ich kenne das auch gar nicht anders. Ich muss beweisen, dass ich es kann, wie ein anderer es auch beweisen muss. Persönlich habe ich noch nie geschaut, ob ich jetzt anders behandelt werde, weil ich eine Frau bin.

WELT AM SONNTAG: Wie korrespondiert man miteinander?

Rougier: Ich spreche in den Sprachen, in den man mit mir sprechen möchte.

WELT AM SONNTAG: Das bedeutet?

Rougier: Ich spreche Holländisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Switzerdütsch, Spanisch, Italienisch und auch ein klein wenig Russisch. Ich lerne jetzt noch Litauisch.

WELT AM SONNTAG: Warum das?

Rougier: Weil meine Tochter in Litauen Medizin auf Englisch studieren wird. Da habe ich mir gesagt, es kann doch nicht sein, dass du da nichts verstehst. Ich suche dringend in Hamburg einen Lehrer. Finde aber keinen. Vielleicht kann da ja ein WELT-AM-SONNTAG-Leser helfen.

WELT AM SONNTAG: Dann kann man ja behaupten, dass Sie in Europa zu Hause sind?

Rougier: Ich bin Europäerin. Das war ich schon immer. Ich war Teile meines Lebens in Holland, in der Schweiz, in Frankreich, in Spanien. Jetzt bin ich seit zwei Jahren in Deutschland.

WELT AM SONNTAG: Sie sind in Holland geboren. Darf ich fragen, wie Ihr Mädchenname lautet?

Rougier: Baars.

WELT AM SONNTAG: Ist das ein besonderer Name?

Rougier: Der Barsch. Ein Fisch. (lacht) Das passt doch: das Wasser, das Meer, der See.

WELT AM SONNTAG: Sie sind beruflich ganz schön angespannt. Haben Sie auch Hobbys?

Rougier: Ich mache sehr viel Sport, namentlich Kickboxen. Ich benötige einen Sport, wo ich mich auspowern kann. Seit fünf, sechs Jahren mache ich das. Das ist auch für die Selbstverteidigung gut. Als anderes Hobby habe und liebe ich Musik.

Rougier: Welche Musik?

Rougier: Ich liebe Oper, klassische Konzerte und gehe auch gerne in Ballettvorstellungen. Meine Tochter hat mal bei John Neumeier vorgetanzt.

WELT AM SONNTAG: Woher kommt die Liebe zur Musik?

Rougier: Das kommt von meinem Vater. Der hat jeden Sonntagmorgen um halb acht klassische Musik gehört. Dann mussten wir alle aufstehen. Ich habe das damals gehasst. Nun müssen alle auch bei mir klassische Musik hören. Im Büro, im Auto, zu Hause.

Sacha Rougier wurde 1966 in den Niederlanden geboren. Sie studierte an der Universität von Amsterdam europäische Geschichte, Wirtschaft, Soziologie, Literatur und Sprachen. Ihren Master machte sie in Change Management. Ihre maritime Karriere begann 2000 im Hafen von Marseille. Seit 2015 ist sie Geschäftsführerin der Cruise Gate Hamburg GmbH. Sacha Rougier ist verheiratet, hat zwei Töchter und lebt in Tötensen.

(Quelle: https://www.welt.de/regionales/hamburg/article168136932/Hamburg-ist-im-positiven-Sinne-kreuzfahrtverrueckt.html, Stand: 04.09.2017)

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Bild: Juergen Joost; Sacha Rougier trifft Autor Norbert Vojta auf Pooldeck 12 von \"Mein Schiff 1\"

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